Das Schmitz gewinnt

– Feiertags im Salon Schmitz –

Der Salon Schmitz ist einer der Hotspots in Köln. Das viel gelobte Café in der Aachener Straße lockt mit gutem Frühstück und exzellentem Kaffee. Mit überschwänglicher Freude über den eigenen Besuch muss man hier nicht rechnen. Die professionell-kühle Distanz der Bedienungen ist stadtbekannt. Der Salon insgesamt eine Oase der liebevollen Unliebsamkeit in einer Stadt, die sonst so oft im Sturm der Emotionalitäten zu ertrinken droht.

Am heutigen Feiertag tue ich wohl, was alle Gäste stets im Schmitz tun. Ich störe den Ablauf durch meine Anwesenheit. Im ewigen hin und her der Bedienungen zwischen Metzgerei und Salon ernte ich beim kleinsten Zeichen, dass ich gern bestellen würde, einen genervten Seitenblick, werde alsbald herablassend bedient und erhalte exzellente Qualität. Um Speisen zu bestellen muss ich das Café verlassen, in der Schlange stehen und endlos warten. Es wundert mich nicht, ich bin hier oft zu Gast.

Akribie, Präzision, Langeweile und Distanz. All das macht ihn besonders, den Salon Schmitz und lässt mich wieder kommen. Ich komme, um die Sonnenstrahlen zu genießen, oder nass-kaltes Treiben durch große Scheiben zu betrachten. Entschleunigung mitten im überfüllten Köln.

Ich bestelle und warte. Ich kenne das Spiel. Neben mir nehmen Gäste Platz und beginnen ihre Partie des Schmitz’schen Mensch-ärgere-dich-nicht. Und während um mich und meine Begleitung herum heute in ungewöhnlich schneller Weise die Latte Macchiato Gläser ihre Liebhaber finden, bleiben wir vergessen in unserem Eck. Der Kunde schräg gegenüber, der sich mit einem zweiten Hipster die Brille und das Gesicht, aber nicht den Kleidungsstil teilt, bestellt schon nach und darf auch haben. Ich warte.

Und irgendwann – wie schon so oft zuvor – hebe ich zaghaft die Hand, unterbreche das sinnlose hin und her der Bedienung mit leeren Händen und bitte um eine Sekunde der Beachtung. Keine Gnade, ich warte und spiele. Am Ende gewinnt immer das Schmitz.

Ich bekomme gebracht, was ich nicht bestellt habe, bitte um Korrektur, werde erhört und warte. Warte höflich auf das mit einigen Schritten durch kalten Regen erkämpfte Frühstück, das mein Nebensitzer soeben erhält. Ich warte. Er isst, wir plaudern, ich warte und unser Gespräch wendet sich dem eigentlichen Gegenstand eines jeden Frühstücks hier zu. Das Schmitz gewinnt. Es  gewinnt die Oberhand über die Gedanken der Gäste in seiner durchdachten Ignoranz.

Ein zweites Mal durch Regen und Kälte hinüber. Im öffnen der Türe bereits in bekannt abfällig-gestresstem Ton der Ruf ich habe zu warten, es komme doch gleich. Zurück gekehrt hat der Freund neben mir den letzten Bissen verspeist. Ich warte. Und schließlich nach nunmehr beinah einer Stunde erscheint das Mädchen. Sie bringt mir, wonach mir verlangt und sagt, obgleich noch neu, die bekannte Floskel der Selbstentschuldigung auf.

Es mag der voraus gegangen Nacht der Geister, oder Müdigkeit, oder doch der Seltsamkeit des Ortes geschuldet sein, dass meine Begleitung heute die Regeln des Spiels nicht befolgt. Er nickt nicht lächelnd milde und ignoriert den schlechten Ton des alles fressenden Salon. Er spricht sie an, auf jene endlose Weile des Wartens. Bittet darum, man möge sich doch etwas einfallen lassen, um die Ungebührlichkeit des Wartens zu entschädigen. Sie keift aufgewühlt dagegen, er missinterpretiert sich selbst als Gast und stört. Fordert sie auf ihn so nicht zu behandeln, sie schimpft und zieht davon. Er blickt mich an und ist empört.

Auf leisen Tatzen hat sie sich hinein geschlichen. Nie war sie hier gedacht, doch durch die Ritzen kroch die Emotion. Sie infizierte alles um sich her und zeigte schließlich ihre Macht. Der Freund springt auf und geht hinaus in den Regen und drüben hinein. Er wird laut, fragt, ob sie den eigenen Ton für angemessen hielte, die Kollegin springt ihr bei. Ich hätte gern ein neues Glas Kaffee, verzichte jedoch.

Er kehrt zurück und berichtet mir von seiner Tat und unter dem Tisch kichert die Emotion ganz heimlich über ihren kleinen Sieg. Doch dann geschieht das Unerhörte. Die Emotion, die sonst so hilflos vor der Tür des Schmitz erfror, geht ganz zum Angriff über. Mit langen Krakenarmen greift sie um sich, wird selbst zur Spielerin in einem Spiel, das für sie keine Figur auf dem Brett vorgesehen hat.

Mit Wut ergreift sich die Kollegin einen Stuhl an unserem Tisch und fordert von uns Rechtfertigung ein. Die mit der Emotion so ungeübte Kollegin habe sich im Kämmerlein einschließen müssen, um ihre Tränen zu verbergen und Schuld, wie kann es anders sein, hat immer nur der Gast. Sie bebt und tobt, geschüttelt von der Gefühle langem Arm. Das Schmitz verliert.

Sie diktiert die Bedingungen des Aufenthalts und spricht uns alleinige Kriegsschuld zu. Mir mangelt es nun deutlich an Spiegeln im Saal und sie geht fort. Wir bleiben und sprechen über das Schmitz und den Stil, über Gäste und Störenfriede zwischen dem hin und her der leeren Hände. Das Schmitz hat unsere Gedanken wieder.

Später auf der Straße stehen wir noch beieinander im windigen Regen. Das Mädchen kommt vorbei geschritten. Blickt uns nicht an. Dem Freund erwärmt sich befreit von Schmitz’schen Wänden das Herz in der Kälte und er sagt dem jungen Geschöpf, er habe ihr nicht den Tag verderben wollen. Die Hand zum Frieden. Sie blickt kurz auf und stößt ein distanziertes „das hast du aber geschafft“ heraus. Das Schmitz gewinnt.

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