Warum ich Pegida dankbar bin…

Pegida ist gefährlich. So viel lässt sich heute schon mit Sicherheit sagen. Die Demonstrationsbewegung mobilisiert Menschen, die sich schon seit Jahren von der Politik verabschiedet hatten und wendet bewusst deren Wut gegen Freiheit, Andersdenkende und Minderheiten. Das Einzige, wofür wir Pegida dankbar sein können, ist, dass diese Bewegung uns Demokraten wieder den Willen zur Verteidigung unserer freiheitlichen Ordnung eingehaucht hat.

Wir haben gepennt – alle miteinander. Über Jahre haben wir uns darauf verlassen, dass es ausreicht in den Parlamenten demokratisch legitimierte Politik zu machen. Wir haben uns darauf verlassen, dass sich kein rechtes Potential kräftig genug zusammen ballen kann, als dass es eine kritische Wahrnehmungsschwelle überschreitet. Das Aufkommen der AfD hat uns genervt und die Parolen der Ultra-Konservativen angekotzt. Dennoch, wir ließen es geschehen.

Ich weiß, die Antifa stand auf der Straße. Ich weiß, es gab die linken Splittergruppen, die nicht müde wurden, einsame Demonstratiönchen abzuhalten. Ich weiß, es gibt sie, diejenigen, die immer bei allem übersensibel-wachsam sind. Aber sie sind so sehr eingemauert in ihrem ideologischen Korsett, dass auch bei diesen Gruppen kaum zu befürchten ist, dass sie eine kritische Wahrnehmungsschwelle überschreiten könnten. Wir, die bürgerlich-spießig-braven Linken müssen aufstehen, damit etwas passiert.

Ich habe noch nie einen Stein geworfen und auch noch nie vermummt an einer Demonstration teilgenommen. Ich habe noch keine Straße blockiert und ich bin kein Veganer. Seit Jahren war ich nicht mehr demonstrieren. Zuletzt in Heiligendamm gegen den G8-Gipfel – sind wir ehrlich, diese Demo hat keine Änderung erreicht.

Doch Pegida hat etwas verändert – in uns allen Mitte-Links. Wir fühlen uns nicht mehr sicher, wir fühlen uns bedrohnt. Das, was sich dort auf der Straße zusammenbraut, ist mehr als das übliche, leicht zu belächelnde Elend der NPD. Auf Straßen und Plätzen stehen Menschen, die sich selbst nicht als radikal erleben, aber von Radikalen getrieben werden. Unter dem Schlagwort „Lügenpresse“ wird ihnen die Versorgung durch die Medien abgeschnitten. Sie werden isoliert von der Mitte der Gesellschaft. Über eigene Facebookseiten und Blogs, Reden und Treffen werden sie indoktriniert und können in Zukunft sukzessiv immer weiter nach Rechts gedrängt werden. Heute schon applaudieren manche von ihnen, während ein Mädchen mit Migrationshintergrund im Einkaufszentrum zusammen geschlagen wird. ES IST SO WIDERLICH.

Über Wochen waren wir hilflos. Einige von uns haben versucht durch das Entfreunden von Menschen auf Facebook ein Zeichen zu setzen. – Sind wir ehrlich, das war nicht nur lächerlich, das war auch ein bisschen dumm. Wieso sollte es eine brauchbare Strategie sein, die Möglichkeit zu Erreichen und zu Widersprechen abzustellen?

Dann bewegten wir uns. Langsam – ganz langsam trottete die linke Mitte los. Wir räumten Demo-Termine in übervollen Terminkalendern frei. Übervoll sind unsere Terminkalender, weil wir Politik in Räten und Parlamenten machen – meist ehrenamtlich, fast immer leidenschaftlich und unter Aufopferung fast jeden freien Abends.  Übervoll sind unsere Terminkalender, weil wir echte Jobs haben, Familien, Hobbies, Vereinsmitgliedschaften und Freunde. Dennoch, Pegida hat es geschafft, wir gehen wieder auf die Straße.

Und plötzlich sind wir viele mehr. Wen mehr als Zehntausend Demonstranten in Dresden beeindruckt haben, der soll auf die Massen achten, die wir auf die Straße bringen können. Wir sind nicht der politische Rand in diesem Land, der sich mühsam seine Anhänger zusammen hetzen muss. Wir sind die übergroße Mitte und unsre Zeichen sind besonders stark, weil wir so viele Leute mit echten Jobs, echter Bildung und echtem Einfluss sind.

Das, was Pegida in uns ausgelöst hat, wird noch manchen verwundern. Denn es entsteht eine neue Identität der linken Mitte. Nicht nur die Ultra-Konservativen versammeln sich, nein auch die Mitte entdeckt sich neu, begegnet sich auf der Straße, plaudert und findet ihre Gemeinsamkeit.

Sozialdemokraten, Grüne, Linke, kleine Teile der CDU, Reste der FDP und Piraten stehen beieinander. In all den Jahren, in denen wir fast blutleer vor uns hin verwalteten und uns manchmal fragten, warum wir das alles eigentlich noch tun, fehlte uns nicht selten der innere Begründungszusammenhang. Pegida hat ihn uns zurück gegeben. Dafür opfern wir unser Freizeit, dafür eilen wir von Termin zu Termin. Dafür stehen wir Samstags auf Marktplätzen uns lassen uns von frustrierten Wählerinnen und Wählern beschimpfen. Dafür demonstrieren wir jetzt wieder: Freiheit!

Danke Pegida für diese neue Mitte, Danke Pegida und jetzt geh und verschwinde aus diesem Land. Deinen ungewollten Dienst hast du uns ausreichend getan.

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