Warum die Wahlkampf-Strategie der CSU kippt

Die CSU begeht aktuell einen großen strategischen Fehler. Erklären kann man ihn mit der Theorie von der Aufmerksamkeitsökonomie und mit dem sozialpsychologischen Modell der Wahlkampfforschung. Weiterlesen »

Die CSU donnert durch’s Land und treibt Merkel und die ganze Union vor sich her. Die Strategie der Christsozialen ist einfach. Um die Mehrheitsfähigkeit in Bayern zu erhalten, möchte sie rund um sich einen politischen Hurricane entfachen, damit für die AfD und andere Konkurrenz in Bayern kein Platz in der öffentlichen Wahrnehmung bleibt. Der Plan ist an sich gut, einzig das Thema ist das Falsche.

Es gewinnt immer derjenige, über den gesprochen wird. So einfach lautet eine alte Wahlkampfregel. Die CSU beherrscht diese Regel traditionell meisterhaft. Höchstens die niedersächsische SPD und die Grünen in Baden-Württemberg sind in Deutschland den Konservativen in Bayern in Sachen Wahlkampf ebenbürtig. Die CSU-Strategen wissen ganz genau, wer aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerät, an dem verlieren auch die Wählerinnen und Wähler das Interesse. Deshalb poltert die CSU vor jeder Wahl. Bei der letzten Landtagswahl tat sie dies mit ihrer Forderung nach einer Ausländermaut, die einen Aufschrei außerhalb von Bayern gegen die CSU provozierte. Sie bescherte ihr damit die erwünschte Aufmerksamkeit. Bei dieser Wahl poltert die CSU gegen Merkel und die offenen Grenzen. Allerdings greift sie mit dieser Strategie so richtig daneben.

Was die CSU strategisch bezweckt liegt auf der Hand. Sie bewegt sich nach rechts, um der AfD Spielräume zu nehmen und um damit ehemalige CSU-Wähler zurück zu gewinnen und sucht im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie gleichzeitig den Streit außerhalb Bayerns, damit die Aufmerksamkeit nicht auf ihren bayerischen Konkurrenten fällt. Eine Hälfte der Strategie geht dabei auf. Die SPD in Bayern kann nicht vom CSU-Rechtsschwenk profitieren, weil sie im Streit zwischen München und Berlin gar keine Rolle spielt. Sie findet nicht statt, gerät zusehends aus dem Fokus der Öffentlichkeit und fällt deshalb in den Umfragen. Das Problem der CSU ist, dass der zweite Teil der Strategie für sie nicht aufgeht. Sie bewegt sich nach Rechts und verliert dennoch an die AfD. Erklären kann man das.

Den Grund, warum der Plan der CSU diesmal nicht aufgeht, kann man mit dem sozialpsychologischen Modell der Wahlkampfforschung erklären. Verkürzt besagt dieses Modell, dass Menschen mit ihrer wiederholten Wahlentscheidung so etwas wie eine psychologische Mitgliedschaft in einer Partei eingehen. Die Partei, die ich immer wieder wähle, wird mir emotional immer näher. Ich bin eher geneigt der Version der Partei zu glauben, die ich gewählt habe als der Version der politischen Gegner. Je öfter ich die Partei wiederholt wähle, umso stärker wird dieser psychologische Effekt.
Was der CSU nun passiert, ist, dass nicht nur sie sich nach rechts bewegt, sondern alle ihre psychologisch gebundenen Mitglieder ebenfalls. Sie folgen den Christsozialen in ihrer Bewegung an den rechten Rand, weil sie ihr all die nicht-faktenbasierten Argumente glauben, die sie aktuell hervorbringt. Im alten bayerischen Parteiensystem, in dem alle Konkurrenten links von der CSU standen, stellte dies kein Problem dar. Die Mitbewegung der Anhängerinnen und Anhänger nach rechts entfernte diese nur von den konkurrierenden Parteien. Allerdings steht rechts der CSU nun die AfD. Und die CSU bewegt ihre Anhängerinnen und Anhänger auf genau diesen Konkurrenten zu. Sie organisiert einen riesigen Wählerstrom in Richtung der Rechtspopulisten.

Je näher sich Positionen kommen, desto leichter fällt der Wechsel. Lange konnte man das bei den rot-grünen Wechselwählern beobachten. Bei vielen Wahlen in den 90ern und Anfang der 2000er gab es einen regen Austausch zwischen der Wählerschaft von Bündnis90/Die Grünen und der SPD. Seit sich beide Parteien zunehmend voneinander entfernt haben, kommen diese Wählerströme zum Erliegen. Die CSU täte also in der aktuellen Situation gut daran, sich möglichst nicht zu bewegen und basierend auf ihrer jetzigen Position viel Lärm zu machen. Themen dafür gäbe es genug. Durch einen Angriff auf den Länderfinanzausgleich könnte sich die CSU ganz wunderbar mit der in NRW regierenden CDU streiten, durch eine Schuldzuschreibung in der Automobilkrise an Volkswagen könnte sie Zoff mit Niedersachsens SPD-Ministerpräsidenten bekommen. Es hätte ausreichend viele Themen gegegen, um sich einen Gegner außerhalb Bayerns zu suchen, um die Aufmerksamkeit in Bayern allein auf die CSU zu fokussieren, ohne einen Rechtsschwenk hinzulegen. Doch die CSU versagte mit dem Haudrauf-aber-wenig-nachdenk-Politiker Markus Söder erstmalig bei der korrekten Analyse der strategischen Lage. Denn so viel man Seehofer schelten will, es ist Söder, der den Kurs für die bayerische Landtagswahl vorgibt.

Das Ergebnis dieser Politik liegt auf der Hand. Die Union wird nicht zerbrechen, weil man sich am Ende zwischen CDU und CSU irgendwie einigen wird. Allerdings wird die CSU bei diesem Unterfangen auch Kompromisse eingehen müssen. Sie hat aber bereits jetzt ihre Wählerschaft weit nach rechts gezogen, muss dann jedoch selbst leicht nach links schwenken und wird dadurch nicht nur diejenigen an die AfD verlieren, die sie ihr durch den Rechtsschwenk schon zugeführt hat, sondern auch noch diejenigen, die den Kompromiss nicht mitgehen wollen.

Chapeau, Herr Söder, Sie haben’s vergeigt!

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