Postmodern abhängen.

Just a piece of art.

Ich sitze über den Dächern der Stadt. Hoch oben. Der Blick weit, ein sanfter Wind weht. W-Lan in der Luft. Ein freier Großstadtmensch. Heute. Ohne Probleme, zutiefst gelangweilt. Dann schreibe ich eben – wie so oft – nur diesmal ehrlich.

Stell Dir vor, Du würdest beim Spielen immer gewinnen. Immer. Jedes Mal. Wie lange würdest Du spielen? Nach anfänglichem Jubel, würde Gewinnen zum Alltag. Routine wird Reizlosigkeit. Du springst vom Dach. Nervenkitzel. Ob Du das Spiel diesmal gewinnst?

Mitten in der Luft stoppt Dein Sturz. Du ruderst mit den Armen, aber der Boden fällt Dir nicht weiter entgegen. Du hängst. Zwischen oben und unten. Ein scheiß Spiel. Man kann nicht mal sagen, ob man gewonnen oder verloren hat. Man hängt halt so rum.

Langeweile macht sich breit. Immer wieder Langeweile. Ständig, überall. Langeweile – besonders hier. Weil man in der Mitte der Luft auch einfach nichts tun kann. Obwohl. Oben konnte man auch nichts Sinnvolles tun. Drum ja überhaupt erst der Sprung. Und unten? Unten würde man gar nichts mehr tun. Auch nicht sinnvoll.

Griff in die Tasche. Ganz vorsichtig ziehe ich das Smartphone heraus. Nicht dass es fällt! Das ist doch vollkommen irre. Ich sprang in die Tiefe und passe jetzt auf, dass der Bildschirm nicht springt. Das ist schon eine ganz besondere Form eines First-World-Problems. Wenigstens reicht das W-LAN bis hier. Man möchte ja nicht mit verminderter Surf-Geschwindigkeit sterben.

Und jetzt? Facebook? Schon wieder? Man kann es ja nicht mehr sehen. Fühlt sich matschig an. Nicht das Netzwerk, sondern der Kopf, wenn man die App öffnet. Spiegel-Online? Schon wieder? Twitter? Schon wieder? Nen Film schaun? Puh. Is auf dem Handy-Display auch kacke. Ich hätte Kopfhörer mitnehmen sollen. Aber man denkt ja vor dem Springen nicht, dass man nach dem Springen längere Zeit Langeweile bekommt. Dann hätte ich nen Buch eingepackt.

Scheiße. Keine Steckdose. Ach fuck.

43 Prozent Akku. Geht ja. Is aber endlich. Alles is endlich. Wenn man schonmal Zeit hat, könnte man ja über den Klimawandel nachdenken. Nervt aber auch. Kann man ja eh nicht lösen. Oder den Sinn des Lebens. Aber wo fängt man da eigentlich an? Schlafen. Das wär ganz gut. Aber hier draußen ist es hell. Verdammt hell. Und keine Decke.

Mal so ganz nebenbei. In der Luft hängen geht gar nicht. Wobei – Physik hat mich nie interessiert. So ein überflüssiges Fach. Nen Auto auf ne Schiene stellen und irgendwie drüber rutschen lassen. Dauert 3 Sekunden. Und dann muss man das wochenlang ausrechnen. Und die dachten wirklich, die 3 Sekunden würden das anschaulich und dauerhaft spannend machen. Wie kaputt kann man sein?

Ich winke freundlich der Frau hinterm Fenster. Sie schaut mich kurz an. Lächelt zurück. Die macht Salat in der Küche. Hunger hab ich keinen. Wobei, jetzt da ich drüber nachdenk. Hm. Vielleicht doch. Aber nunja. Foodora erklären, dass man zwischen dem vierten und dem dritten Stock mitten in der Luft hängt. Puh. Nee, is mir zu doof.

Langsam is kalt. Verbraucht man eigentlich Kalorien beim in der Luft hängen? Ich könnt ja versuchen Sit Ups zu machen. Vielleicht komm ich dann mit Waschbrettbauch unten an. Braucht man aber auch nicht mehr, wenn man nicht mehr daten kann. Aber mit Waschbrettbauch enden wär schon irgendwie besser als ohne.

Kann man das auf den Grabstein schreiben? Hat immer Proteine gegessen. Keine Carbs. Geiler Typ. Und dann pilgern die Crossfit-Kasper joggend zum Friedhof und legen Blumen nieder. Einer hat’s mal durchgezogen. Keine Carbs! – Flüstern die sich dann bestimmt zu. Für die Motivation.

Ich gebe zu, dieses vom Dach Springen war nicht wirklich durchdacht. Aber ganz ehrlich, wer rechnet schon damit, dass man nach dem Sprung noch so viel Zeit zum drüber nachdenken hat. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Die Frage ist nich wirklich spannend. Aber wenn nicht jetzt, wann sollte ich sie mir denn dann stellen? Ist das dann auch langweilig? Ohje.

Gut, dass Sommer is. Regen wär jetzt echt noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Bei meinem Vater im Garten sind die Regentonnen immer übergelaufen. War nie ein Problem. Komisches Sprichwort.

Ich könnte ja die Feuerwehr rufen. 112 – weiß ich noch. Hatte Aufkleber als Kind mit der Nummer drauf. Aber die haben bestimmt besseres zu tun. Vielleicht brennts ja irgendwo. Die müssen schließlich Menschen retten. Nicht mich. Außerdem muss man dann bestimmt wieder Formulare ausfüllen. In Deutschland gibt’s für alles Formulare. Bestimmt auch für Rettung aus der Luft.

Wen sollte man zuerst retten? Irgendwen mit Kindern. Ich hab keine. Zur Zeit spricht alle Welt von Kindern. Naja. Erbt halt keiner.

Ich muss lächeln. Ich nehme mein Smartphone und schieße ein Foto von mir mitten in der Luft. Dazu schnell ein Text. Hänge heute einfach rum. Zack! Gepostet. Es hagelt likes. Auch auf Instagram.

Wieder gewonnen.

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