Monsterbegriffe: Wie die SPD am Nasenring durch die Manege gezogen wird

Die Verhandlungen zur großen Koalition laufen. Natürlich gibt es Statements, Kommentare und Interviews. In diesen versucht man zu erklären und einzuordnen, was zwischen CDU, CSU und SPD beraten wird und worauf man sich einigen konnte. Eines fällt dabei massiv auf: Wir haben keine sozialdemokratische Sprache. Wir benutzen konservative Monsterbegriffe.

Das Monster der „subsidiär Schutzberechtigten“

Eine ganze Woche drehte sich der Diskurs in Berlin um eine Gruppe Menschen, von der beim besten Willen fast niemand in der Bevölkerung weiß, wer das sein soll. Diese Menschen heißen „subsidiär Schutzberechtigte“ und sind Flüchtlinge. – Zumindest irgendeine Form davon. Irgendwas Seltsames. Eine Unterkategorie? – Wegen „sub“? In jedem Fall nichts Normales, sonst hätten die ja einen normalen Namen.

Subsidiär gehört für fast keinen Deutschen zum allgemeinen Sprachgebrauch. Das Wort ist weder Teil des aktiven noch des passiven Lexikons in den Gehirnen der Bürgerinnen und Bürger.

„Subsidiär Schutzberechtigte“ ist ein Bürokratenbegriff. Er steht für Menschen die von Folter und Tod bedroht sind. Das weiß niemand in Deutschland. Darum sind „subsidiär Schutzberechtigte“ den Leuten suspekt. „Von Tod und Folter Bedrohte“ würden weitaus mehr Menschen schützen wollen.

Warum ist also der Monster-Bürokratenbegriff „subsidiär Schutzberechtigte“ dann überhaupt in der Debatte? – Dass Bürokratien andere Worte für alltägliche Dinge entwickeln, tritt häufig auf. Ein ganz klassischer Eierkarton heißt beispielsweise auf dem Gesundheitsamt „Höckerpappebatterie“. Was aber in der Debatte um Geflüchtete das Besondere ist: Die hießen mal „von Tod und Folter bedrohte Menschen“ und wurden erst dann in der politischen Debatte zu „subsidiär Schutzberechtigten“. Eine Entscheidung der CDU/CSU.

Es ist wie so oft in der politischen Debatte der letzten Jahre. CDU und CSU sind bei weitem sprachsensibler als die SPD-Funktionäre. Die Konservativen wollen keinen Familiennachzug für von Tod und Folter bedrohte Menschen – und damit das die Bevölkerung auch so sieht, nutzen die Konservativen seit dem Wahlkampf nur noch den Begriff „subsidiär Schutzberechtigte“. Ein brillant einfacher Plan. – Man benennt Menschen, die Menschen gerne schützen wollen, einfach so um, dass man sie nicht mehr retten möchte.

Die SPD fällt immer drauf rein

Die Sozialdemokratie hat das Sprachgefühl eines Aktenschrankes. Wir fallen fast immer auf die sprachlichen Tricks der Konservativen rein. Seit CDU und CSU von „subsidiär Schutzberechtigen“ sprechen, tun wir das auch. Überall: Im Bundestag, in Bürgerversammlungen, WhatsApp-Nachrichten und E-Mails. Überall springen SPD-Funktionäre aus den Ecken und wollen besonders klug, elaboriert und informiert klingen. Klar, da nutzt man doch den Fachbegriff. – Wirkung egal. Hauptsache ich klinge klug und überlegen.

Noch schlimmer: Häufig genug haben die Konservativen großartige Begriffe für ganz großen Mist. Die „Lebensleistungsrente“ zum Beispiel. Da gab es im Schnitt gerade mal 5 Euro mehr Rente für die Leistung im Leben. – Darum haben wir aus inhaltlich guten Gründen dagegen gewettert. Nur leider haben wir nicht gegen die „Billigrente der CDU“ gewettert, sondern gegen die „Lebensleistungsrente“. Heraus kam in den Köpfen der Menschen im Land nicht, dass wir einen Skandal aufdecken, sondern dass wir gegen die Lebensleistung sind. Ganz, ganz toll gemacht!

Wir waren auch schon gegen Wachstumsbeschleunigung oder gegen ein Kinderförderungsgesetz und ganz aktuell sind wir für den Familiennachzug der scheinbar suspekten Gruppe der Subsidiären. – Das klingt schon fies.

Apropos „Familiennachzug“ – auch ein kluger konservativer Begriff. Er sagt auf den ersten Blick: Zuzug!

Ausländer kommen, die ziehen zu uns. Die kommen. Noch mehr kommen. Und es kommen vor allem besonders seltsam-subsidiäre. Zack! – Und schon haben die Leute wieder Angst.

Der sozialdemokratische Begriff dafür heißt: Familienzusammenführung.
Die Zusammenführung von Menschen, die von Tod und Folter bedroht sind.
Wäre schön, wenn die SPD das endlich lernt.

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